Erinnern in der Stadt

Nachts laufe ich durch den Arco da Rua Augusta hindurch zum Tejo hin und bleibe vor den beiden Marmorsäulen stehen, vor deren  mattem Schein eine Treppe immer mehr verblassend in die Dunkelheit hinein steigt. Wenn ich mich nur lange genug  bemühe, meine ich noch eine Stufe mehr im Wasser zu erkennen.

lisbon

So wie ich in Lissabon bereits den ganzen Abend hindurch von einem Erinnerungspunkt zum anderen laufe und immer mehr von dem wiederzuerkennen meine, an das ich mich von einer Reise an Silvester 1995 angeblich erinnere. Einzelne Bilder schälen sich wieder vor mir auseinander, spiegeln sich im nachtdüsteren Delta vor dem Königspalast und lassen mich den Aufzug von damals, die Maroniverkäufer mit Tüten aus Telefonbüchern, das schäbige aber gemütliche Hotel am Bahnhof, den Schnellimbiss nach der durchzechten Nacht hinter geschlossenen Augen wieder finden. Wenn ich dann den Blick wieder hebe und zum Arco schaue, fällt mir wieder auf, wie sehr ich in meiner Erinnerung diese Stadt habe zusammenschnurren lassen. So als gäbe es nur einen Schnellimbiss neben dem Hotel und dem Aufzug in der Stadt. Und alles stände direkt am Fluss. Nun ist die Stadt wieder gross und weit, ich laufe stundenlang in ihr und finde kein Ende. So sähe es wohl aus, würde ich alle meine Erinnerungen wieder ablaufen können. Eine unendliche Stadt, grösser als die Welt. Nicht mehr zu schaffen.