Zu Tisch beim Diktator

Gut, das sieht jetzt erst einmal nicht so bombastisch aus. Ein Tisch in einem kahlen Raum. Darauf Teller, Weingläser und Besteck. Alles sehr monochrom und eher wie aus einer Kunstakademie. Aber ganz falsch. Das ist das ehemalige Schlafzimmer des portugiesischen Diktators António de Oliveira Salazar (1889 – 1970), in dem wir essen. Für gewöhnlich sind Diktatoren wie unsereins, wenn es um das Verspeisen von Fisch in Privaträumen geht: sie mögen es nicht. Aber in diesem Fall hat der gute Mann keine Wahl. Zum einen ist er tot. Das definiert den Handlungsspielraum schon enorm. Zum anderen ist sein Sommersitz, in dem wir gerade das Nachtmahl zu uns nehmen, nun nicht mehr exklusiv ihm und seiner Familie vorbehalten. Portugal ist in der EU und eine Demokratie. Das schöne Anwesen im Bauhaus Stil steht der Öffentlichkeit zur Verfügung. Für sogenannte Events. Heute zahlt man für einen Abend dort. Basta.

Man darf noch anmerken, dass das Schlafgemach, anders als zum Beispiel bei Ludwig XIV nicht durch besondere Raffinesse, Eleganz oder durch Pomp hervorsticht. Ein einfacher, eher gedrückter Raum in Weiss mit einer nicht unerheblichen Sicht auf Lissabon. Aber das war es dann auch schon. Ein wenig denkt man and Wandlitz und Erich Honeckers schreckliche Gartenhaus Siedlung, die ein abgeschirmtes Virtel für die Regierenden der DDR sein sollte. Und dann war es doch nur eine Schrebergarten Siedlung mit Westsupermarkt und Erichs Pornosammlung im Keller.

So denke ich und löffle nachdenklich eine durch leckere aber ebenfalls höchst reduzierte Gazpacho. Herrschaft hat nicht immer etwas mit Geschmack zu tun. Sie kann fade sein und sich auch so anfühlen. Eigentlich ein kleines Drama der Weltgeschichte. Prost, bitte noch etwas Weisswein.