Nebel

In einer Stadt habe ich zu tun und  gehe  abends nach den Terminen durch die Altstadt, suche einen Platz für das Abendessen, bin müde, denke nicht weiter über den Tag nach. Aus dem Augenwinkel blitzt mich dabei im Gang durch die Gassen etwas an und ich bleibe stehen, gehe ein paar Schritte zurück auf das Schaufenster zu. Dort steht ein Bild hinter Glas, das ich kenne. Nichts Besonderes, möchte man meinen, jeden Tag sieht man Bilder, die man kennt, jeden Tag kann man die Originale, wenn es denn solche noch gibt, in einem Museum finden. Was soll schon sein.

Das Bild ist ein Gemälde von Otto Nebel, das ich in einer anderen Stadt gesehen habe, zum letzten Mal vor 25 Jahren. In einem Wohnzimmer, bei einem Ehepaar, das den Nachlass von Nebel archivierte. Otto Nebel kennt kaum jemand, das Ehepaar war damals schon sehr alt, als ich es aufsuchte, um über den Mann und „Unfeig“ meine Magisterarbeit zu schreiben. Seitdem kam mir weder ein Nachdruck entgegen, noch sah ich das Original wieder. Wer sollte auch Drucke von Nebel in Umlauf bringen, man kennt ihn ja nicht. Und warum seine Bilder in einem Museum ausstellen? Die Magazine sind doch schon voll von Malern aus dieser Zeit. Neuer Realismus, Fantastische Malerei, Expressionismus, Bauhaus.

Wozu?

Seit ich ahne, wo ich nun diese Erinnerung an das Wohnzimmer finden kann, streiche ich immer wieder, wenn ich in der Stadt zu tun habe, um das Schaufenster herum, rechne im Stillen aus, wie ich das Bild finanzieren könnte. Mir ist als müsste ich es vor dem finalen Vergessen retten, es in mein Wohnzimmer überführen. Aber dann verschwände es ja doch nur wieder. Für immer oder bis zu dem Punkt, an dem meine Erben kopfschüttelnd die Leinwand zu veräussern suchen.