(3) St. Maurice.

Die Abtei St. Maurice gilt als eine der ältesten der Welt. Seit dem 5. Jahrhundert nach Christus wird hier im Wallis gebetet und das mönchische Zusammenleben erhalten. Was stellt man sich vor, wenn man so etwas liest? Eine Abtei auf einem Berg, rundherum Stille und Erhabenheit. Kein Sterbenswörtchen dringt in den Gängen ausser langgezogenen Mönchsgesängen durch die Gegend.

Das wollte ich sehen. Also rein in den Zug via Lausanne und Montreux und erwartungsfroh am Bahnhof St. Maurice ausgestiegen und in die Stadt hineingelaufen.

Ich habe mich noch gefragt, warum ich keine Abtei schon vom Zug aus sehen konnte. Alles schien sehr versteckt. Gegen Norden zu fliesst nur die Rhone zwischen zwei Hügeln eng gewunden durch. Kein Durchkommen sonst. Und die Abtei ist an die Felswand des einen Kalkbergs geduckt. Im fünften Jahrhundert war das Kloster so gut versteckt und wehrschaft, weil nur von einer Seite her angreifbar. Man versteckte sich vor Feinden in diesen unsicheren Zeiten, war kein Machtzentrum, das weit und breit allein dastehen konnte.

Die zweite Überraschung war der Trubel, der in der romanischen Basilika vorzufinden war. Glücklicher Mensch, der ich bin, habe ich die Firmungsfeierlichkeiten des Ortes mitbekommen. Mit Apèro vor der Kirche. Kein Durchkommen, keine Stille im Gotteshaus zu finden.

Ich habe nichts davon zu trinken gekommen, nur der Brunnen mit der Inschrift, dass man hier das heilige Wasser des KLosters bekomme, stand mir offen. Zu wenig für meine Neugierde und meinen Erlebnishunger, also bin ich ausgewichen bis nach dem Apèro. St. Maurice als Ort hat nämlich noch weitere spannende Dinge zu bieten.

Ein Schloss am Ortsende, das über der Flussenge steht (wo heute der Autobahntunnel in den einen Hügel führt). Weiter oben ein alter Wehrturm aus dem 18. Jahrhundert und die drei Festungen aus dem 1. und 2. Weltkrieg als westlichstem Teil der Reduit. St. Maurice ist nicht nur ein heiliger sondern auch ein wehrhafter Ort. Und dazwischen kann der geneigte Wanderer auch noch in einer „Feen Grotte“ einen Kilometer tief in den Berg steigen. Also Christentum, romantischer Tolkien und Militarismus auf einer Fläche von einem Qudratkilometer. Eine interessante Mischung. Aber zurück zum Gotteshaus.

Ehm, halt, das ist noch eine Bunkerstellung für Sperrfeuer aus dem Berg, aber dann: die Basilika ganz für mich alleine.

Romanisch und renoviert. Gar nicht so 1500 Jahre alt, wie man zuerst meinen könnte. Das digitale Zeitalter hat auch hier zugeschlagen.

Diese Ruhe… nichts hört man mehr. Es ist still hier, so herrlich still, dass mich die Ruhe fast anschreit. Sie tut wohl und beängstigt zugleich. Die Welt ist draussen geblieben. Hier beten die Mönche seit 1500 Jahren. Im Konvent, das man nicht betreten kann. Nur die Klosterschule davor ist zugänglich. Hier finde ich die Ruhe und Stille, die ich nach 3 Stunden Anreise gesucht habe. Sie berührt mich. Wie stets in Klöstern. Sie ist durchsetzt mit einer eigenartigen Wärme von Gebetsräumen. So als wären gute Gedanken hiergeblieben und würden freundlich hallo sagen. Wieder draussen sehe ich noch die Hinweisschilder auf die Bunker und Vergnügungshöhle, überquere die Durchgangsstrasse zum Ortskern und Bahnhof. Zurück in der Welt. Währenddessen in der Basilika…