Gesetzt: Wofür ich stehe

Gestern sass ich an meinem Holztisch in der Küche und bekam blöderweise diesen einen Satz nicht mehr aus meinem Kopf:

Wofür stehst Du?

Wie unpassend in solch einer Situation. Ein Wortwitz, der ausgerechnet jetzt aufglimmt. Es fühlt sich fast unangenehm an. So wie eine plötzliche Suada über die eigene Person, wenn man es sich gerade nach dem Aufziehen des Theatervorhangs im abdunkelnden Saal gemütlich gemacht hatte. Und es ist kaum zu beantworten, ohne sich selbst, nicht einen Bildschirm dabei anzuschauen. Die eigene Nackheit vor einem klischeeartigen und trotzdem tiefen Satz zu ertragen. Darüber nicht lachen zu wollen, ihn noch einmal öffentlich zu beantworten. Das alles, und: letztendlich komme ich dann immer nur auf einen einzigen Satz.

Ich stehe für eine Gleichheit aller Menschen um mich.

So banal sich das anhört. So einfach es sich äussert, wenn ich Kinder im Gang zuerst grüsse und nicht darauf warte, dass mir zuerst ein schöner Tag gewünscht wird. Es ist simpel und faltet sich dann in allen Konsequenzen aus. Ich stehe für ein „alle sind gleich“ und versuche das zu leben. Es kann kein „Asylant“ in meine Argumentation schleichen, kein „weniger“ auch kein „mächtiger“, und ich habe keinen Vorbehalt gegen einen anderen Menschen.  Er oder sie ist gleich vor und mit mir, wir sind eines, auch wenn wir nicht einig und gleichförmig sind. Ich achte den anderen und versuche ihn nicht zu übervorteilen, keine Hochmut über sie oder ihn zu entwickeln. Nicht sage ich, dass es nicht trotzdem passiert, aber ich versuche es zumindest. Manchmal mit Erfolg.

So stehe ich da und sage nur das Wort „gleich“. Fühle mich stark und schwach damit, gleichermassen.

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Und dann komme ich zwei Wochen später zurück, lese diesen Text und finde ihn unerträglich. Mir gegenüber. Wie kann man sich so herausstellen? Ist es nicht gleichwohl ein Zeichen von Hierarchiedenken und Arroganz anderen gegenüber, wenn man das Gleiche so betont? So wie ein Moralapostel nur das eigene Sündenregister überschreit? Bin ich nicht gerade deshalb anfällig für herablassenden oder kuschenden Umgang mit anderen, weil ich das Thema stark in meiner Mitte spüre?

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