Die ausgezogenen Frauen

In einem dieser Läden mit Café sassen wir. Dort, wo man sich neu einrichten und einkleiden kann, wenn man gelangweilt den Vormittag herumbringen muss. Und guten Espresso gibt es auch dazu. Wir sassen dort, um so etwas wie ein Business Meeting abzuhalten. Denn Arbeit ist ja kein Ort mehr, wir arbeiten alle überall. Bei Kaffee und mit aufgelapptem Laptop. Das ist chic und sehr modern.

Wie ich in einer unserer Diskussionen aufschaue, bemerke ich dass der Laden keine Umkleidekabinen hat. Denn hinter dem Rücken meines Teamkollegen, in der Ecke des Ladens, stehen drei Frauen in den endenden Vierzigern und zeigen sich so lange aufgeregt die neue Kollektion von den Ständern neben der Espressomaschine, bis eine von ihnen anfängt, sich ihrer Wäsche zu entledigen und zuerst Hosen, dann einen Rock, dann ein Oberteil zu probieren.

So versunken sind sie in ihren Fachsimpeleien und stehen schliesslich alle Drei in Unterwäsche mitten in der Verkaufsfläche, dass sie nicht einmal den verdutzt durch das Fenster glotzenden Rentern sehen, der sich über das Konzept von allzu deutlichen Schaufenstern wundert. Sie schnattern fast und befassen sich nur mit der Frage, ob der geblümte Rock die Figur der einen mehr betont als die der anderen. Alle drei Frauen legen Kleider ohne Unterlass an oder ab. Sie ziehen sich in einen Rausch hinein um. Es liegte ein merkwürdiges Nervenzittern im Raum. Das nächste wäre jetzt eine Orgie. Aber die würde uns doch alle überraschen, sie kommt vermutlich nur in meiner Fantasie vor. Die Frauen hingegen entdecken noch einen Ständer mit leichten Sommerkleidern und Badesachen.

Wir verlassen das Café und suchen uns einen anderen Laden. Wir sind nicht imstande, uns so stark in einen Rausch hineinziehen zu lassen. Nicht an einem Vormittag, nicht als unfreiwillige Zuschauer. Wir sind noch nicht so weit.