Und dann schickt mir meine Schwester ein Bild aus unserer Kindheit, das ich nicht kannte. Das ist deshalb so bemerkenswert, weil es nicht viele von uns gibt. Vielleicht 20 – 30 in den ersten zehn Lebenskahren. Selten eines, das so nah aufgenommen ist, meistens von zu weit weg und im Gegenlicht.
Plötzlich starrt mich meine Kindheit an. Ich kenne mich kaum wieder. Das muss einmal ich gewesen sein. Ich bin mir nicht einmal sicher, ob ich mich unter zwei Dutzend Photos heraus erkannt hätte. Sicher nicht im flüchtigen Daraufschauen. Mein eigener Blick von damals aber saugt mich an und tunnelt mich zurück in eine Zeit, von der ich selbst auch nicht mehr viel weiss. Wie in einem Vorwurf schaue ich mich an und sage mir selbst: wie konntest Du Dich nur selbst so vergessen, sonst wird sich doch niemand an all das erinnern, wenn nicht Du. Ich nicke mit meinem Heute und sage, dass ich ja Recht habe. Es ist verschwunden und fremd geworden, es hat mit mir nichts mehr zu tun und ich kann nur noch mit einem Kopfschütteln zum Abschied die Hand reichen, über alles mutmassen.