Thor mit Rosen

Das Hotel Restaurant hat Punkte und Sterne. Es ist ein Highlight in der kulinarischen Szene der Schweiz. Herein kam ein Bild von einem Mann, den wir vorher schon in der Sauna Anlage bewunderten. Jeder Zoll seines durchtrainierten Körpers ebenmässig, nur die verwaschenen Tätowierungen eines Tigers über dem flachen Bauch störten ein wenig. Sogar der Bart war ein Muster an Gleichmässigkeit und rundete das ruhige Gesicht ab. Fast konnte man neidisch werden. Wir sahen ihn – jetzt im Anzug – mit seiner unglaublich schönen Begleiterin auf einen Tisch des Raumes zulaufen, der mit zwei Rosen und einer Menge an Rosenblättern, einem Tischgedeck aus Blumen und Kerzenständern dekoriert war. Das konnte nur wunderschön werden. „Thor“, so nannte ihn meine doch leicht neidisch werdende Gattin mir gegenüber, nahm eher lustlos daran Platz ohne auf den Stuhl seiner Begleiterin zu achten. Er zog schon nach wenigen Augenblicken, in denen er gelangweilt an ihr vorbei zum Fenster sah, sein Smartphone unter dem Tisch zu sich und begann etwas zu tippen. Sie stutzte, beobachtete ihn und liess nicht von ihm ab, auch dann nicht, als er keinerlei Anstalten machte, sein Handy wenigstens für den Gruss aus der Küche beiseite zu legen. Fast ass er einarmig. So ging der Abend weiter. Sie löffelte ruhig in ihrer Vorspeise herum, er surfte über Soziale Medien hinweg durch den Abend und schlang die acht Gänge achtlos in sich hinein. Das konnte nur eine Inszenierung sein. Das musste uns das Hotel als Gruss aus der Theaterabteilung geschickt haben. Damit wir alle etwas zu staunen hatten. Oder aber die beiden wollten uns allen zeigen, dass sie so dekadent waren, ein teures Abendessen, einen romantischen Tisch vor einer perfekten Kulisse und erlesene Auswahl an Weinen einfach beiseite zu lassen und nebensächlich an sich abprallen zu lassen wie einen Besuch bei einer Wurstbude.

Oder doch nicht. Ihr Löffeln wurde immer stiller, er hob seinen Kopf kaum noch und starrte nur noch in sein Display. Wir standen nach unseren Gängen auf und wollten das nicht weiter sehen, wechselten in die Bar. Das halblaute „kein Sex heute für Thor“ meiner Gattin war noch das Geringste, das uns dazu einfiel. Sie, am Tisch da drüben, alleine gelassen mit sich und ihm, tat mir leid. Trauriger schien mir nur noch, alleine im Regen auf jemanden zu warten, der nie vor hatte wenigstens vorbeizuschauen. Das verdarb mir die Laune. Dabei ging es mich nicht einmal etwas an.