Trenker

Das Fernsehprogramm kann nachts, nach einer Bergtour, nicht mehr viel hergeben. Man ist müde, den Tag über gelaufen, noch voller Eindrücke von Gletscher, Firn, Fels und weitem Himmel. Ich komme von der kleinen Scheidegg herunter, bin stundenlang mit Blick auf die Eigernordwand gelaufen. Gleissend im Spätsommerlicht, vor tiefgrünen Matten und unendlicher Wolkenlosigkeit. Der Himmel wie eine warme Hand um uns herum.

Der Fernseher im Hotel glimmt auf uns springt auf ein Drittes Programm. Dann springt mir Luis Trenker entgegen und steht genau vor der Bergwand, die mir den ganzen Tag so stark im Blick stand. Ein Schnitt und er er faselt wieder von seinem Studio aus, dem mit der überdimensionierten Heiligenfigur,  über Berge, Kameradschaft und sich selbst. Darüber dieses Mal, dass die Wang ohne moderne Ausrüstung nicht bezwingbar sei. Wir schreiben bei seinen Worten das Jahr 1962. Heute rennt Ueli Steck die Wand in zwei Stunden und 22 Minuten einfach hinauf. Und darüber, wie unheimlich der Berg sei, wie böse. Was für unglaubliche Kerle das seien, die dort einstiegen, um mehr als zwei Tage lang sich bis zum Gipfel empor zu kämpfen.

Ich muss den ganzen Tag vor einer anderen Wand gestanden haben. Das ist nicht mein Eiger, von dem Trenker da redet. Das ist ein Fernseheiger, noch zu Zeiten der Schwarzweißausstrahlung erfunden. Um wehrlose Zuschauer in der Adenauerzeit zu erschrecken. Das ist nicht die Kulisse, die heute vor 12.000 Menschen am Tag herumsteht, nicht der Berg, in dessen Wand Zug um Zug das Jungfrauhorn erreichen will, ihn deshalb in einer gewundenen Röhre penetriert.

Ich schüttle den Kopf, als würde ich Trenker aus meinen Ohren schütteln wollen, mache den Bildschirm aus. Das ist ein Paralleluniversum, das ist nicht meine Welt.